Neue Erfahrung: Kleintierklinik

Posted on 21 November 2010 at 17:47 in Katzen.

Der Notfall, der zum Glück gar keiner war, hat mir gestern fünf Stunden Wochenende durch unnütze Wartezeit gestohlen. Ich habe sie aber mehr oder weniger freiwillig investiert, will mich daher nicht beklagen und habe wieder einmal etwas dazugelernt.
Der Hintergrund oder vielmehr die Ursache dieser Geschichte war ein großes verfilztes Stück Fell am Schwanz von Kater Rocky. Nach seiner OP am 10. November hatte ich ihn ein paar Tage nicht gekämmt. Das Kämmen war aber bisher nicht wirklich notwendig, denn es ließen sich immer nur ganz wenige dünne Haare entfernen und Verfilzungen hatte er bisher nicht. Es diente also nur zum Gewöhnen und zum Wohlbehagen, toll fand er es auf jeden Fall. Nun war vermutlich nach einem Toilettengang etwas hängengeblieben und das lange Fell darum hatte sich damit verbunden. Als ich es entdeckte, dachte ich noch, ich könnte es nach und nach vorsichtig mit einem Kamm entfernen und besorgte am Freitag noch einen speziellen Entfilzerkamm mit scharfen Zähnen. Gestern Mittag jedoch sah ich mit Entsetzen, dass sich oberhalb des verfilzten Fells eine offene Stelle gebildet hatte, wo die oberste Hautschicht fehlte. Keine blutende Wunde, aber eben offen. Ich konnte nicht einschätzen, was sich unter dem Filz noch verbarg, da man ihn nicht anfassen konnte, ohne alle Krallen in den Armen und Beinen zu spüren. Ich wusste nicht, ob es sofort behandelt werden musste, um eine Infektion oder eine Vergrößerung der offenen Stelle zu verhindern.
Also wählte ich die Nummer des Tierarztes unseres Vertrauens, in der Hoffnung, er möge selbst Notdienst an diesem Wochenende habe. Leider war dies nicht der Fall. Ein Tierarzt Dr. G. aus V. im Landkreis Springe hatte Dienst. Ich rief dort an und erklärte mein Anliegen. Daraufhin erhielt ich die Antwort, ich solle mal schön bis Montag warten und dann zu meinem Tierarzt gehen, denn das, was ich jetzt geschildert hätte, wäre ganz und gar kein Notfall. Ja, danke schön! Nach dieser Ansage hätte ich auch bestimmt nicht mehr darauf bestanden, bei diesem Tierarzt vorgelassen zu werden. Das klang sehr nach: “Ich habe keine Lust auf diesen blöden Notdienst, lassen Sie mich bloß in Ruhe!”
Daraufhin packte ich Katerchen in den Transportkorb und fuhr zur Kleintierklinik der Tierärztlichen Hochschule in Hannover. Zum Glück ist auch das praktisch nur einen Katzensprung entfernt, leicht zu finden, nachdem sie in den Bünteweg umgezogen ist, und liegt in unmittelbarer Nähe meiner Arbeitsstätte, sodass mir die Gegend recht gut bekannt ist.
Außer mir waren noch vier weitere Tierpatienten anwesend, offensichtlich alle kurz vor mir eingetroffen, denn erst nachdem ich wenige Minuten dort war, kam die Tierärztin, um alle zu befragen und dann für sich eine Prioritätenliste zu machen. Angeschaut hat sie sich übrigens die Wunde von Rocky nicht.
Es war 14 Uhr. Die Tierärztin erklärte uns, dass sie die einzige Person sei (andere Mitarbeiter waren natürlich da, aber keine Ärzte).
Klar, dass der Hund mit dem möglicherweise gebrochenen Bein zuerst an der Reihe war. Die Voruntersuchungen dauerten 45 Minuten. Dann kam der Hund wieder raus und weitere 45 Minuten passierte nichts, jedenfalls nichts, das für uns Wartende erkennbar war. Dann musste der Hund wieder rein und ich dachte schon, wenn der jetzt noch operiert werden muss, sitzt du noch bis Mitternacht. Nach einer Viertelstunde kamen die Besitzer heraus, ohne Hund, weil der, zum Glück ohne Beinbruch, aber nach der Behandlung noch in Narkose lag und erst am Abend abgeholt werden konnte. Nebenbei hörte ich Bruchstücke der Unterhaltung zwischen diesen und anderen Hundebesitzern mit an, und die Besitzerin des gerade behandelten Hundes sagte, sie habe gar nicht das Geld, um das alles zu bezahlen. Die Notdienstaufschläge sind ja auch ganz schön saftig, selbst für einen Normal- oder Gutverdiener, und wenn man, wie ich quer durch den Raum hörte, von Arbeitslosengeld II lebt, kann man das gar nicht bewältigen.
Nach dem Hund kam eine Katze mit Augenverletzung dran, dann ein junges Hündchen mit Blasenstein. Alles dauerte ewig. Die letzten vor mir war ein Ehepaar mit jungem Foxterrier, der auf einer Pfote nicht auftreten konnte. Während dieser Hund noch behandelt wurde, waren knapp vier Stunden vergangen und ich hatte die Hoffnung, in der fünften Stunde dranzukommen.
Aber es kam, wie es kommen musste, als sich die Eingangstüren wieder einmal öffneten, kamen zwei Frauen herein. Die jüngere trug einen Hund, dessen rechtes Vorderbein verbunden war. Vor ein Auto gelaufen, hörte ich mit, als die Mitarbeiterin sie befragte. Wunde gespült, Druckverband. Oh je, der musste natürlich dringender behandelt werden. Nicht lange danach kamen vier Personen herein, ein elegant gekleidetes, altes Paar, er trug einen Dackel im Körbchen, und zwei junge, blonde Mädels. Der Hund war von einem Auto überfahren und durch die Luft geschleuert worden, er hatte keine äußeren Verletzungen außer Kratzern am Auge, aber mehr konnte man noch nicht sagen. Da Paar stammte aus Göttingen, war wohl zu Besuch in Hannover und die jungen Frauen hatten offensichtlich geholfen, zur Tierklinik zu kommen. Klar, dass dieser Hund als allererster an der Reihe war. Die Frau mit der augenverletzten Katze war seit mindestens einer Stunde schon auf ihrem Stuhl zusammengesackt, und nun wurde ihr von der Tierärztin auch noch gesagt, es könne noch dauern, sie sei eben die einzige Person hier.
Zwei Tiere waren noch in Behandlung und zwei Notfälle waren dazugekommen. Ich rechnete hoch und kam zu dem Ergebnis, dass ich vermutlich noch vier weitere Stunden würde sitzen müssen.
Ich telefonierte mit dem Mann zu Hause und klingelte nach telefonischer Beratung an der Anmeldung, um die Mitarbeiterin über meine Abreise zu informieren. Nach fünf Stunden kam ich mit dem Katerchen wieder zu Hause an. Er hat es mir offensichtlich nicht übel genommen, die ganze Zeit über lag er brav und ruhig, eben seinem Schicksal ergeben wie ich, in seinem Transportkorb.
Heute schauten wir uns vorsichtig den Schwanz an. Tja, es ist mir beinahe peinlich und ich könnte jetzt sagen, ich habe überreagiert. Über der offenen Stelle ist schon wieder eine Hautschicht gewachsen und das verfilzte Fell ist viel weniger geworden, offensichtlich hat er das selbst entfernt.
Mir wäre aber wohler gewesen, wenn der Tierarzt am Samstag gesagt hätte: “Kommen Sie einfach mal vorbei, ich schaue mir das an.” Oder ich hätte darauf bestehen müssen, dass sich die Tierärztin in der Klinik die Wunde anschaut, schließlich hat sie sich die (nicht in Transportkörben verpackten) Hunde auch angeschaut.
Ich jedenfalls war nicht in der Lage, den weiteren Verlauf vorauszusagen. Das nächste Mal gehe ich wahrscheinlich eher früher zum Tierarzt, jetzt sieht es aber so aus, als ob ich vielleicht morgen in der normalen Sprechstunde einen Blick darauf werfen lasse, wenn es noch notwendig sein sollte.
Mehr als bedauerlich ist es allerdings, dass in der Kleintierklinik der Landeshauptstadt Niedersachsens offensichtlich keine akzeptable Versorgung gewährleistet ist. Schließlich handelt es sich nicht wie bei den Menschen um Krankenkassenpatienten, deren Behandlung zum großen Teil jemand anderes bezahlt, sondern wir Tierbesitzer sind alle sozusagen Privatpatienten, die viel Geld in der Klinik lassen. Ich akzeptiere durchaus eine Wartezeit, wenn ich unangemeldet komme, aber fünf, sechs, sieben oder mehr Stunden? Kann man da nicht einen Bereitschaftsdienst einrichten, falls mehr Patienten als durchschnittlich eingeliefert werden? Gibt es in Deutschland Tierärztemangel, weil sie so schlecht bezahlt werden? Darf ein Tierarzt im Wochenend-Notdienst seine Hilfe verweigern? Viele Fragen, die ich nicht beantworten kann.
Ich war gestern Abend ein wenig erledigt, aber natürlich bin ich vor allem froh, dass sich die Sache so gut wie von selbst erledigt hat. Was gestern für mich nicht so aussah, das will ich noch einmal betonen.

5 Kommentare

  1. s caröl y - Sonntag, 21. November 2010 at 22:40

    oh weh
    jetzt weisst du wenigstens, was dir und der katz in einem echten notfall blüht
    sozusagen 1 probelauf

    ps in notaufnahmen der kliniken geht es einem nicht viel besser !!!

    gruss von cc

  2. Barbara - Montag, 22. November 2010 at 10:11

    Oh je, da kann man sein Wochenende wohl angenehmer verbringen. Wir haben letztes Jahr Weihnachten mit Lili in einer privaten Not-Tierklinik warten müssen, da sie eine Blasenentzündung hatte, aber ganz so lange hat das nicht gedauert.
    Hauptsache es ist nichts schlimmes bei dem Kerlchen.

  3. Sabine - Dienstag, 23. November 2010 at 08:44

    Nun hat sich zum Glück alles von selbst erledigt, aber das kann man schließlich nicht ahnen.

  4. Tina - Sonntag, 28. November 2010 at 00:49

    Nun, ich denke, Tierärzte haben keinen öffentlichen Versorgungsauftrag gegenüber Kleintieren. Waren die Notdienstaufschläge höher als beim Schlüsseldienst? Selbstverständlich zahlen Sie für Ihr Tier privat. Wenn Sie einen Anbieter mit einem besseren Preis/Leistungsverhältnis finden, können Sie einen Wechsel überlegen. Aus meíner Sicht hat sich nach Ihrem Bericht eine sinnvolle Versorgung abgespielt: im Notdienst NOTfälle, also lebensbedrohliches und Gefahr von Organverlust behandeln; der kränkste immer zuerst. Sie scheinen eine 24-h-Versorgung zu erwartet zu haben “jederzeit alles”, wie in vielen Dienstleistungsbereichen üblich. Die können Sie in Hannover sicherlich auch bekommen, aber dann müssen Sie preislich (auch im Regelbetrieb) mindestens auf das 3-fache hinaufgehen, Sie müssen es als Kunde schlichtweg bezahlen. Das Problem der aus dem Ruder gelaufenen Erwartungen ohne Reflektion darüber, das solch eine Versorgung bezahlt werden muss, gibt es übrigens auch in der Humanmedizin. Im übrigen hab ich auch schon viele Stunden nach dem Nachtdienst mit der kranken Katze beim Tierarzt gewartet, kann Ihre Ungeduld/Erschöpfung also ganz gut verstehen. Zum Glück ist der Kater heute wieder gesund.
    Viele Grüsse, Tina

  5. Sabine - Sonntag, 28. November 2010 at 14:52

    Natürlich haben Notfälle immer Vorrang und ich hätte nie einem solchen den “Platz” weggenommen. Außerdem habe ich nicht erwartet, eine Behandlung zu bekommen, ohne zu bezahlen oder mehr zu bezahlen als im Normalfall. Ich bin gewiss nicht der Mensch, der immer alles 24 Stunden lang verfügbar haben muss, das mag sich vielleicht nach dem Erlebnis so angehört haben. Von mir aus müssen auch die Geschäft nicht bis 22 Uhr geöffnet haben. Doch es hat mich schon verwundert, dass die große Tierklinik in der großen Stadt so schlecht ausgestattet ist.

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