Leider kommt es manchmal vor, dass meine Pakete nicht brav in der Packstation landen, sondern in die Postfiliale umgeleitet werden. Bisweilen liegt es daran, dass die Versandhäuser dreimal so viel Luft wie Inhalt verpacken und das Paket dann schlicht und einfach zu groß ist. Gelegentlich muss ich die Ursache in meiner eigenen Gedankenlosigkeit suchen, denn es ist nicht besonders geschickt, kurz vor Weihnachten eine Ladung Katzenfutter zu bestellen, weil zu solchen Zeiten mit überfüllten Packstationsfächern zu rechnen ist. Ich öffne also meine Nachricht und lese: “Guten Tag Frau D., eine Sendung liegt für Sie in der Filiale XYZ am nächsten Werktag zur Abholung bereit.” Neeeiiin, bitte nicht! Ich will nicht zur Post fahren müssen! Aber es hilft alles nichts, ich muss dorthin. Und natürlich reicht die Schlange wieder einmal bis knapp vor die Tür. Jetzt heißt es ruhig bleiben und durchhalten, bis ich an der Reihe bin. Dann einmal tief durchatmen und mit freundlichem Lächeln einem Postmitarbeiter gegenübertreten, der mir das Gefühl vermittelt, selbst Schuld an der Misere zu sein. “Wie kommen Sie nur dazu, sich etwas schicken zu lassen, das wir hier jetzt auch noch suchen müssen?”, scheint auf seine Stirn geschrieben zu sein. Mit leisem Stöhnen geht er in den Nebenraum, um hoffentlich fündig zu werden.
Aber vielleicht sind wir Kunden tatsächlich selbst schuld an dem Missmut und der Unfreundlichkeit, die uns häufig entgegengebracht wird. Ich konnte während der Wartezeiten immer wieder beobachten, dass sich ständig Kunden mit befremdlichen Anliegen in einer Postfiliale versammeln. Da haben sie keine Ahnung von Maßen und kommen mit einem riesigen Briefumschlag an in der Hoffnung, diesen auch als Brief verschicken zu können. Falsch gedacht, der geht nicht einmal mehr als Päckchen durch. Die junge Dame muss nun einen Paketschein ausfüllen und ist damit ganz überfordert. Unsicher steht sie da und fragt stotternd nach, ob sie sich nach dem Ausfüllen wieder ganz hinten anstellen muss. Immerhin hat sie da Glück und es bleibt ihr erlassen. Zwei Herren versuchen mit dem Postmitarbeiter darüber zu diskutieren, warum ihr Paket nicht zugestellt worden sei, da sie doch eigentlich zu Hause waren oder wenn doch nicht, warum es nicht bei den Nachbarn abgegeben worden sei. Sie wollen wissen, was der Paketausfahrer gesagt und gemacht hat und müssen sich damit begnügen, dass der Filialmitarbeiter nichts weiß, weil die Pakete einfach bei der Filiale abgestellt werden und er nicht persönlich mit dem Fahrer spricht. Schließlich muss noch die Nachnahmegebühr entrichtet werden und das verursacht eine Suche nach einem passenden Zahlungsmittel. Ein junger Mann möchte doch genau wissen, warum seine Lieferung an die Packstation nicht dort gelandet ist. Er wird belehrt, dass man Briefe nicht an diese Automaten schicken darf und der Brief deshalb hier in der Filiale gelandet ist. Der junge Herr versucht, sich damit zu entschuldigen, er habe nicht gewusst, dass seine Bestellung in Briefform verschickt würde. Den Postangestellten interessiert das wenig bis gar nicht und er antwortet nur mit einem Achselzucken. Eine energische junge Dame knallt der Postmitarbeiterin ein Päckchen auf den Tisch, auf das sie auch einen Päckchenschein geklebt hat. Dann verlangt sie einen Beleg und bringt Frau Missmut hinter der Theke beinahe zum Explodieren. Bei Päckchen gebe es keinen Beleg, sie müsse dann schon einen Paketschein ausfüllen. Die Dame wird erhebt ihre Stimme und weigert sich, einen Schein auszufüllen. Sie stampft wütend mit dem Fuß auf und behauptet, es gäbe immer diese Probleme, wenn sie mit einem Päckchen ankomme. Ich frage mich, warum sie daraus noch nicht gelernt hat und gleich einen Paketschein aufklebt. Nach einigem lauten Hin und Her kommt sie irgendwie doch noch zu ihrem Beleg und rauscht hocherhobenen Hauptes aus dem Laden.
Neben den lauten gibt es auch die leiseren Begegnungen. Dazu zählen schier endlos dauernde Beratungen, wie man was wohin schicken könnte oder auch einmal ein Verkaufsgespräch zum Thema Briefmarken. Leider konnte ich nicht alles verstehen, doch aus dem Kopfschütteln einiger vor mir Wartender schloss ich, dass ich einigermaßen richtig verstand.
So in etwa muss es sich abgespielt haben:
K = Kundin, P = Postangestellte
- K: “Ich hätte gern Briefmarken für zehn Euro.”
- P: “Welcher Wert soll es denn sein, für Briefe, für Postkarten …?”
- K: “Also am liebsten gemischt, meistens brauche ich welche für normale Briefe. Ach ja, Postkarten auch.”
- P: “Dann nehmen Sie doch zwölf Marken zu fünfundfünfzig Cent und acht zu fünfundvierzig, das wären dann insgesamt zehn Euro zwanzig.”
- K: “Hm, also manchmal schicke ich auch so einen großen Umschlag, wissen Sie, wie ‘ne Zeitschrift ungefähr.”
- P: “Dann brauchen Sie eine Marke für einsfünfundvierzig. Wenn sie dann also zum Beispiel zwei zu einsfünfundvierzig, zehn zu fünfundfünfzig und fünf zu fünfundvierzig nehmen, kommen Sie auf zehn Euro fünfundsechzig.”
- K: “Ich könnte aber doch auch nur vier zu fünfundvierzig nehmen, dann müsste ich nur zehn Euro zwanzig zahlen.”
- […] (beliebig verlängerbar)
Mich erinnerte diese Szene an etwas und ich glaubte, Ähnliches in einem Sketch von Loriot gesehen zu haben. Allerdings war es schwierig, ohne jeglichen Anhaltspunkt herauszufinden, ob ich damit richtig lag.
Irgendwann suchte und suchte ich und wurde schließlich fündig: Es handelt sich um die “Theaterkasse”.
Hinter Loriot mit Frau steht ein ungeduldiger Kunde, der schließlich von Loriot vorgelassen wird. Dann entwickelt sich folgender Dialog zwischen dem Kunden (K) und dem Mitarbeiter an der Kasse (M):
- K: “Also, ich hätte gerne für heute Abend fünf Plätze so sechste bis neunte Reihe Mitte.”
- M: “Tut mir leid, ich habe nur vier in der dritten und einen hinten.”
- K: “Aha.”
- M: “Oder zwo in der ersten und drei in der elften.”
- K: “Und weiter vorne?”
- M: “Drei in der zwoten, einen in der vierten und einen in der neunten.”
- K: “Und fünf in der sechsten?”
- M: “Nein, leider.”
- […] (und so ging es noch weiter)