Das Grauen nimmt von Jahr zu Jahr zu – muss man sich das überhaupt noch antun? Wir waren am Samstag zum Grillen eingeladen und hätten diesen Wettbewerb gar nicht sehen müssen. Aber wir waren halt doch neugierig, hatten ihn aufgezeichnet und haben gestern Abend reingeschaut.
Dies waren meine Eindrücke:
- Rumänien
Operngesang im Duett – lalala – wenn ich Opern hören will, gehe ich ins Opernhaus, an dieser Stelle fand ich es nicht passend. - Großbritannien
Farbiger Sänger präsentiert souligen Sound inmitten von bunten Farbfeldern – wenn man’s mag, ganz nett, aber nichts Bemerkenswertes. - Albanien
Die sehr junge Sängerin kommt im bauchfreien Frack daher, da sieht der Bauch doch gleich dreimal so dick aus; ansonsten eine sehr gequält wirkende Ballade im osteuropäischen Stil. - Deutschland
Oh wei, was ist mit den “No Angels” passiert? Die konnten doch schon einmal besser singen. Ein sehr stimmblasser Auftritt mit einer Lucy, der man offensichtlich die extreme Naturkrause noch zusätzlich toupiert hat und sehr kurzen und hautengen Kleider, die sich während des Auftritts noch weiter nach oben arbeiteten, sodass am Ende schnell man daran gezuppelt werden musste. - Armenien
Männer liegen der Sängerin zu Füßen, während sie im vierreihigen Fadengardinenkleidchen ihr Lied trällert. Der Gesang erinnert mich sehr an den Siegertitel der Türkei vor einigen Jahren. - Bosnien-Herzegowina
Hilfe, strickende Bräute, Wäsche auf der Leine und ein Sänger mit froschiger Quakstimme! Man bezeichnet es als Musiktheater, ohne den Gesang wäre es vielleicht ganz nett anzuschauen gewesen. - Israel
Die “Nachtigall” hätte der Stimme nach eine Frau sein können, aber beim Hinsehen entpuppt sie sich als Mann, der seine Männlichkeit auch noch durch die ärmelfreien Muskeln unter Beweis stellt. Eigentlich ganz schön gesungen. - Finnland
Hu – ha – Stahlbeton singt. Heavy Metal auf finnisch, natürlich mit langhaarigem Sänger. Mir gefällt diese Musik, aber das ist für den ESC mindestens eine Nummer zu heftig. - Kroatien
75 Cent heißt der Sänger dieser Straßenmusikanten, ist aber mit der US-Münze 50 Cent nicht verwandt. Herren mit Hüten singen, Damen in roten Kleider zeigen Tanzakrobatik – das wäre besser auf der Straße als auf der Bühne angesiedelt. - Polen
Eine eingeheiratete amerikanische Polin in Blond trägt uns eine Ballade vor, die nicht im Ohr hängenbleibt. Viel einprägsamer sind ihr Kleid mit dem viel zu tiefen Ausschnitt bis zum Bauchnabel und die Zähne, die nur an der Front schön weiß sind, die Seiten hat man vernachlässigt. - Island
Ein Duo männlich/weiblich in schwarz-rosa möchte mit einem flotten und sehr fröhlichen Lied überzeugen. Mich interessieren viel mehr ihre rosafarbenen Pumps (meine Barbie früher hatte auch solche Schuhe) und ich frage mich, warum diese Schuhe so dick aussehen. - Türkei
Aha, nun tritt eine für uns recht untypische türkische Rockband auf, die angeblich kritisch-politische Texte singt. Mir ist es zu viel Gebrüll mit zu viel Gitarre. - Portugal
Eine schwarz-gold gekleidete Walküre besingt eine Dame aus dem Meer; wenigstens ein bisschen Abwechslung zum Gehüpfe im Minikleid, leider ist es nicht mein Musikgeschmack. - Lettland
Hei – hei – ho … Oh nein, bitte nicht so etwas! Piraten der See besingen Wölfe der See, wie originell. Bestenfalls kann man das als Partylied laufen lassen, aber bitte nicht auf Partys, bei denen ich eingeladen bin. - Schweden
Ein Alien! Wann sind denn diese Wesen mit den großen, schräg stehenden Augen in Skandinavien gelandet? Das Gesicht der Sängerin versetzt mir einen solchen Schock, dass ich vom Lied nicht so viel mitbekomme. Na ja, war auch nur ein typisches ESC-Träller-Liedchen, präsentiert im silberen Fadengardinenkleidchen. - Dänemark
Ein Sänger mit Kappe und Hosenträgern tritt auf. Eigenartigerweise habe ich vom Lied überhaupt nichts behalten, selbst bei den Schnelldurchläufen ist in meinem Ohr nichts hängengeblieben. - Georgien
Eine blinde Sängerin präsentiert uns etwas zum Thema Frieden. Präsent ist vor allem die riesige Brille. - Ukraine
Eine Pop-Diva wird ins Rennen geschickt, und schon wieder ein Kleid mit Fransenvorhang, das scheint in diesem Jahr topmodern zu sein. - Frankreich
Englischsprachiger Elektropop – und alle treten mit Vollbärten und Sonnenbrillen auf, auch die Frauen. Ba-ba-ba-ba-hm-ba-ba-ba-ba – äh, wie blöd! - Aserbaidschan
Ein Engel und ein Teufel im Duett oder vielmehr musikalischen Zweikampf; das hat mir ganz gut gefallen, aber warum war der Teufel zum Schluss auch weiß gekleidet, oder habe ich mich da verguckt? - Griechenland
Och nö, schon wieder eine Hüpfdohle im Baströckchen – diese Mal in rosa. Beim Namen Kalomira denke ich jedes mal an “Kalimera”, viel mehr griechisches gibt es da nicht, es ist eben ein englischer Popsong. - Spanien
Schlimmer geht’s nimmer! Mach das weg! Als erstes kommt ein Typ mit Betonfrisur und Kindergitarre ins Bild, ich halte das noch für einen Witz und denke, der richtige Sänger taucht gleich hinter ihm auf. Aber nein – “el chici chici” soll tatsächlich für Spanien überzeugen, das ist doch keine Musik! - Serbien
Eine Sängerin im langen Gewand singt ein sehr, sehr trauriges Lied. Stimmt das wirklich, was der Moderator erzählt, man singe dies, wenn man seinen Ehemann beerdigt. Will irgendjemand solch ein Lied als Siegertitel haben? Bitte melden … - Russland
Vom Produzenten über den Starviolinisten bis hin zum Weltklasse-Eiskunstläufer hat Russland alles bezahlbare aufgefahren, um seinem Künstler zum Sieg zu verhelfen. War der nicht schon einmal bei diesem Wettbewerb aufgetreten? Kommt mir bekannt vor, aber alles in allem kann mich der Auftritt nicht überzeugen. - Norwegen
Aufatmen, eine Sängerin in erfreulich schlichtem, blau glänzenden Kleid. Das Lied ist auch nicht schlecht, aber ich könnte mich nicht entscheiden, es zum Favoriten zu küren.
Ingesamt gesehen hat mir nichts so richtig gut gefallen bis auf die Heavy-Metal-Rocker aus Finnland.
Bei der Abstimmung wunderte mich auch nichts mehr, und mit der Zeit verfiel ich in eine Ironie, nach beinahe jeder Stimmvergabe den deutschen Kommentator zu imitieren, der doch so häufig sagte: “Kein Wunder, denn viele Auswanderer/ehemalige Bürger aus Land X leben mittlerweile in Land Z.” Nun ja, in ein paar Jahren oder Jahrzehnten kann man sich einen solchen Ausspruch auch sparen, weil sowieso jede Menge Europäer wild vermischt in irgendwelchen europäischen Länder leben.
Kein Wunder war auch das Abschneiden “unserer” Engel, nach diesem blassen Auftritt haben sie wahrlich keinen Punkt verdient.
Der Mann hat anschließend verkündet, er würde sich diesen Musikwettbewerb nie mehr anschauen. Ich bin noch recht entspannt und unentschieden und warte bis zum nächsten Mal ab.
Sehr schön zusammengefasst 🙂 Ich schließe mich denen an, die sich das nie mehr anschauen (man möge mich bitte nächstes Jahr dran erinnern…).