Verlorene Fähigkeiten

Posted on 14 November 2015 at 16:47 in Persönlich.

Man kennt doch den Spruch: „Das ist wie Fahrradfahren, das verlernt man nicht.“ Neurowissenschaftler sagen tatsächlich, das Fahrradfahren verlerne fast niemand, da Bewegungsabläufe im so genannten prozeduralen Gedächtnis gespeichert werden. Dort würden sie recht sicher aufbewahrt, weil dieses nicht so störanfällig sei wie andere Gehirnbereiche. Auch das Klavierspielen wird als Beispiel für derartige Bewegungsabläufe angeführt.
Ich habe schon hin und wieder darüber nachgedacht, ob man gewisse Dinge wirklich nicht verlernt. Ich glaube, man kann doch gewisse Fertigkeiten verlernen oder vergessen. Ich wäre heute ganz bestimmt nicht mehr in der Lage, eine Melodie auf einem Tasteninstrument zu spielen.
In meiner Jugend, so in etwa mit sechzehn, siebzehn Jahren, spielte ich nämlich Heimorgel. Ich meine mich zu erinnern, dass unserem Vater dieses Instrument gefiel, und daher eines angeschafft wurde. Meine Schwester und ich nahmen dann ungefähr zwei Jahre lang Orgelstunden, wobei ich ein wenig länger durchhielt. Das Spielen muss mir damals wohl schon Spaß gemacht haben, immerhin konnte man ja auch anderes als zum Beispiel den „Schneewalzer“ spielen. Ich weiß gar nicht mehr, welches meine Lieblingsstücke waren, auf jeden Fall besaß ich das Notenbuch „The Beatles Complete“. Ich war also in der Lage, Noten vom Blatt abzulesen und diese beidhändig mehr oder weniger korrekt auf die Tasten zu bringen und mit dem Fuß auch noch die Pedale zu bedienen.

Winter 1976:

Heutzutage hätte ich schon Schwierigkeiten, die Noten richtig zu lesen. Und dann noch zu wissen, welche Tasten das sind … unvorstellbar! Mag sein, dass ich das damals Gelernte mit einiger Übung wieder aus den Tiefen des Gedächtnisses hervorholen könnte, aber ich habe weder Gelegenheit noch Lust dazu, es auszuprobieren.
Meine „Orgelkarriere“ endete bald nach einem Vorspielen der damaligen Orgelschüler vor Publikum. Ich hätte diesen Auftritt ablehnen sollen, aber ich habe mich nicht getraut, Nein zu sagen. Ganz davon abgesehen, dass mir beinahe schlecht vor Aufregung war, fand ich es im Nachhinein doch etwas peinlich, als Siebzehnjährige unter vielen kleinen Kindern ein Stück nicht einmal ganz fehlerfrei vorzutragen. Das konnten die anderen Schüler mindestens genauso gut, und zudem konnten sie noch punkten, weil sie alle klein und niedlich waren.
Mag sein, dass ich eine Weile noch privat hin und wieder gespielt habe, aber als irgendwann niemand mehr Interesse an dem Instrument zeigte, wurde das gute Stück verkauft.

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