Macho-Man

Posted on 14 Februar 2006 at 13:37 in Menschen.

Vor einigen Jahren besuchte ich ein Rhetorikseminar und verblüffte mich dort selbst mit einer Gedächtnisleistung bei einer Übung (ich schrieb darüber am 26.11.2005).
Unter den Teilnehmern befanden sich auch zwei Männer um die dreißig, die als Kollegen bei einem Kurierdienst arbeiteten. Bei einem der ersten Rollenspiele entstand bereits ein kleiner Konflikt zwischen mir und dem einen der beiden, ich nenne ihn jetzt einmal X. Herr X sollte mir in seiner Rolle etwas erklären und beugte sich von hinten über meine Schulter. Für meinen Geschmack kam er mir viel zu nahe und instinktiv wich ich zur Seite aus. Die Seminarleiterin griff dies unter anderem auch auf und referierte über die Mindestabstände zwischen Menschen abhängig von ihrem Kulturkreis. Für X in seiner Nationalität als Türke galten da eben kleinere Abstände als für mich Mitteleuropäerin, wo man im Allgemeinen von 80 Wohlfühlzentimetern spricht. Vermutlich fühlte sich X da schon auf seine Machofüße getreten, denn er musste sich erklären lassen, dass sein Verhalten nicht das einzig richtige war, sondern dass auch die Verhaltensweisen anderer Menschen richtig sind. Sein Kollege und Kumpel Y solidarisierte sich gleich mit ihm und mir wurde in Gedanken der Stempel “blöde Kuh” aufgedrückt.
Später kam besagte Gedächtnisleistung dazu und wie nicht anders zu erwarten brachte mir diese keine Anerkennung von den Herren Machos, sondern wurde nur belächelt. In ihrer Macho-Kommode war ich jetzt vermutlich in der Schublade “arrogante Besserwisserin” gelandet.
In einer weiteren Übung musste jeder über seinen Arbeitsbereich berichten und dies anhand eines Bildchens am Flipchart grafisch darstellen. Ich tat dies nach meinem Verständnis und nun kam die große Stunde der Machos: Kaum war ich fertig, fielen sie verbal über mich her. Ich hätte das alles falsch verstanden und falsch gemacht etc. Die Seminarleiterin stellte richtig, dass ich die Aufgabe nicht falsch, sondern auf meine Art und Weise gelöst hatte. Überzeugen konnte sie die beiden Herren natürlich nicht. Nach mir war eine andere Teilnehmerin an der Reihe. Sie war der Typ Frau, der schon durch Aussehen und Körpersprache die Beschützerinstinkte mancher Männer weckt. Ich nenne so etwas “Mäuschen”. Sie stolperte ängstlich und zitternd nach vorne, stand hilflos vor dem Blatt Papier, stotterte zwei Sätze, malte dazu einen Kringel, wusste dann nicht mehr weiter und brach dann heulend zusammen. Jetzt endlich konnten die Machos zeigen, was in ihnen steckte: Sie habe das ganz toll gemacht, das sei super gewesen … Ein wenig übertrieben für jemanden, der quasi gar nichts zustande gebracht hatte, aber wie man sieht, setzen solche Frauen erfolgreich auf das Kindchenschema. Hilflose, heulende Wesen sind bei Beschützermachos sehr beliebt.
Nebenbei kann ich noch erwähnen, dass Herr Y natürlich bei einem gemeinsamen Abendspaziergang Arm in Arm mit der (natürlich sehr hübschen) Seminarbetreuerin ging. Peinlich wurde es nur, weil gerade in dem Moment seine Freundin auf dem Mobiltelefon anrief und alle über ihn lachten.

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